Carl von Linné veröffentlichte 1753 den heute akzeptierten botanischen Gattungsnamen Oenothera, der sich von den griechischen Worten oinos οῖνος für „Wein“ und thēr ϑήρ für „Tier“ ableitet. Zuvor hatten mit dem Namen Oenothera antike und mittelalterliche Autoren wie Plinius der Ältere und Paracelsus vermutlich die ebenfalls zur Familie der Nachtkerzengewächse zählenden Weidenröschen (Epilobium) bezeichnet (die nordamerikanische Gattung der Nachtkerzen konnten sie noch nicht kennen). Sie waren der Meinung, dass Pflanzenteile dieser Pflanzenarten mit Wein genossen die Menschen heiter und wilde Tiere sanft machten. Das Artepitheton biennis weist auf die Zweijährigkeit von Oenothera biennis hin.
Die Nachtkerze trägt ihren Namen zu Recht. Ihr aufrechter Wuchs erinnert an eine Kerze und eben wie eine Kerze, hat sie ihren größten Auftritt in der Dunkelheit. Sie gehört zu den Nachtblühern, dass bedeutet ihre Blüten öffnen sich mit abnehmendem Sonnenlicht. Diese sind recht kurzlebig und schon am nächsten Mittag wieder verblüht. Dafür entwickeln sich an der Rispe stetig neue Blüten, so dass die Pflanze den ganzen Sommer hindurch, von Juni bis September, ein Blickfang ist.
Als im 16. Jahrhundert die ersten Siedler in Nordamerika auf die verschiedenen Stämme trafen, lernten sie die Heilwirkungen der Nachtkerzen kennen. Sie zerstampften die ölhaltigen Samen der Pflanze zu einem Brei, der gegen Hautausschläge benutzt wurde. Das Öl wurde außerdem sehr gerne von den Frauen zu kosmetischen Zwecken verwendet. Regelmäßige Auflagen mit Brei brachten ihnen eine straffe und jugendliche Haut. Die Irokesen behandelten damit Geschwüre. Die Navajos bevorzugten die Blüten bei Erkältungen und Husten. Nach einer alten Überlieferung ist bekannt, dass die Navajos und Hopis die Nachtkerze bei jeder Krankenheilung und zu Beschwörungszeremonien nutzten.
Bei den Indianern galt sie als Glücksbringer für die Jagd und sollte auch vor Schlangen schützen.
Es gibt Berichte, dass die Cherokee mit der heißen Wurzel Hämorrhoiden behandelten. Daneben spielte das gelbe Blütenwunder bei zeremoniellen Handlungen eine Rolle. Etwa bei den Zuni führten Jungfrauen die rituellen Tänze für Regen und gute Ernten auf. Dazu kauten sie die Blüten und rieben sich damit den Körper ein.
Eine andere Verwendung hatten die jungen Frauen der Hopi-Indianer: Im heiratsfähigen Alter steckten sie sich die Blüten an Festtagen ins Haar.
Die Heimat der Nachtkerzengewächse ist der nordamerikanische Raum. Ihre Ausbreitungsgebiete gehen von Kanada bis New Mexico. Sie wachsen auf alten Feldern, an Straßenrändern und auf Prärien. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde die Nachtkerze nach Europa gebracht, wo man sie als Zierpflanze in Parks und Gärten kultivierte. Von da verwilderte sie und siedelte sich in der Umgebung an. Die erste Zucht der Nachtkerze gelang im botanischen Garten Padua. Im 17. Jahrhundert beschrieb der britische Arzt Dr. Nicholas Culpeper die Nachtkerze genauer und im Jahre 1749 wurde sie von dem schwedischen Abenteurer und Botaniker Peter Kalm wiederentdeckt. Heutzutage kommt die Pflanze in ganz Europa und auch auf fast allen Kontinenten vor.
In früheren Zeiten wurde diese vergessene Gemüsepflanze als Nahrungsmittel angepflanzt. Es wurden die Wurzeln der Nachtkerze als Gemüse gegessen. Ganze Felder wurden mit ihr bepflanzt und unsere heutigen Nachtkerzen sind sozusagen die Nachkommen aus längst vergangener Zeit. Heute wird sie als vergessene Gemüsepflanze wiederentdeckt, doch vor allem findet sie Verwendung in der Frauenheilkunde.
Im Volksmund wird die Nachtkerze auch „Schinkenwurz“ genannt, da sich ihre Wurzeln beim Garen rötlich verfärben. Ihre weite Verbreitung in Europa ist vor allem auf ihren im 18. Jahrhundert und 19. Jahrhundert häufigen Anbau als Gemüsepflanze zurückzuführen. Alte Sprichwörter behaupteten, dass ein Pfund der Nachtkerzenwurzel so viel Kraft gebe wie ein Zentner Ochsenfleisch. Die Gemeine Nachtkerze zählt deshalb bis heute zu den typischen Pflanzenarten des Bauerngartens, auch wenn sie heute meist nur als Zierpflanze angebaut wird.
Zur Gewinnung des Nachtkerzenöls kann die Nachtkerze in ein- und zweijähriger landwirtschaftlicher Kultur angebaut werden. Bei einjährigem Anbau erfolgt die Aussaat in der ersten Aprilhälfte, bei zweijähriger Kulturdauer werden die feinen Samen im Hochsommer flach gesät. Die Nährstoffansprüche der Nachtkerze sind gering. Krankheiten und Schädlinge können die Ernte jedoch beeinträchtigen.
Das Öffnen der Blüten erfolgt häufig innerhalb weniger Minuten in einer fließenden Bewegung. Die Plötzlichkeit und Schnelligkeit des Aufblühens ist ansonsten bei keiner anderen in Mitteleuropa vorkommenden Pflanze zu beobachten. Sie ist deshalb in Botanischen Gärten und Schulgärten eine gelegentlich verwendete Demonstrationspflanze. Eine sich öffnende Blüte ist in der Regel noch geruchlos. Erst nach vollständiger Öffnung verbreitet sie einen intensiv süßlichen Duft. Die Narben sind am Blüteneingang den bestäubenden Insekten zugänglich.
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